Aktuelle und ausgewählte vergangene Lehrveranstaltungen
ZHdK HS 2009/2010_Experiment und Tabu
(gemeinsam mit Dr. Gunnar Olsson)
Wo setzen gesellschaftliche Tabus dem Experimentieren eine Grenze, wo legen sie hingegen geradezu den Boden für Experimente? Wie stellt sich dies für künstlerische und wissenschaftliche Forschung dar?
Neben einer Präzisierung des Experimentbegriffs befasst sich die Veranstaltung zunächst mit dem Begriff des gesellschaftlichen Tabus. Dieser wird im Rückgriff auf Mythen und kanonische Erzählungen verschiedener Kulturen erläutert: Auf das Enuma Elish und Gilgamesh Epos der mesopotamischen Kultur, die Oedipus Erzählung der griechischen Kultur und die Hiob Geschichte aus der christlichen Tradition. Dabei erfolgt eine eigenständige Auseinandersetzung der Studierenden mit solchen Texten.
In einer nächsten Phase der Veranstaltung werden einzelne der in den alten Texten beschriebenen Tabus in ihren Modifikationen (z.B. Verschiebungen im Gegenstandsbereich ethischer Verpflichtung) bis in die heutige Zeit verfolgt. An ausgewählten Beispielen aus wissenschaftlicher und künstlerische Arbeit wird der Umgang mit ihnen verglichen.
ZHdK FS 2009_ Kunst und Presse
(gemeinsam mit Franziska Koch)
In diesem Kurs geht es um die Abläufe, die hinter der viel zitierten "Medienmacht" stehen. Durch den Aufenthalt/ Besuch in unterschiedlichen Zeitungsverlagen und einer Nachrichtenagentur und durch Expertenvorträge sollen die inneren Strukturen der Nachrichtenproduktion deutlich werden. Die gemachten Erfahrungen werden in praktischen künstlerischen Arbeiten umgesetzt: Während des Kurses wird eine eigene Zeitung produziert.
ZHdK HS 2008/2009_Kunst und interkulturelle Kommunikation
(gemeinsam mit Dr. Günther Baechler)
In ihrer jüngeren Aussenpolitik übernimmt die Schweiz vermehrt eine aktive Vermittlerrolle in internationalen Konflikten. Bei solcher Vermittlung sucht man in letzter Zeit Unterstützung bei Präsentationen und Produktionen von Kunst: in der politischen Konfliktbewältigung räumt man der Kunst Bedeutung ein.
Die Lehrveranstaltung hat das Ziel, diesen Einsatz von Kunst bzw. dieses Feld für künstlerische Arbeit exemplarisch darzustellen und sie gemeinsam mit den Studierenden vor den Interessenshintergründen von Diplomatie und Kunstproduktion zu bewerten. Weist der Bereich ästhetischer Produktion spezifische Strukturmerkmale auf, die ihn für eine Vermittlung zwischen Menschen besonders geeignet machen? Welche Rahmenbedingungen müssen dabei gegeben sein?
Zusammen mit den Studierenden erörtern wir dies im Teamteaching zwischen einem Diplomaten, der derzeit in politischen Konflikten (Nepal, Dafour) vermittelnd tätig ist und dabei über das Potential von Kunst nachdenkt und einer Theoretikerin, die sich für die ermöglichende Struktur von Kunst und künstlerischer Gestaltung interessiert.
ZHdK WS 2007_Kunst und die Ökonomie der Verausgabung

Indem er das herrschende Nützlichkeitsprinzip in Frage stellt, wendet sich Georges Bataille (1897-1962) in seinem inzwischen klassischen Buch "La Part Maudite" von der Idee einer beschränkten, hin zu einer "allgemeinen" (oder wie dies J. Derrida bezeichnete, "rückhaltlosen") Ökonomie: "Die Ausdehnung des Wachstums erfordert von selbst die Umkehrung aller ökonomischen Grundsätze - die Umkehrung der Moral, die sie begründet. (...) Wenn von vornherein ein pauschal abzuschätzender Teil der Reichtümer (...) einer unproduktiven Verschwendung preisgegeben werden muss, dann ist es (...) unvermeidlich, dass Waren ohne Gegenleistung abgetreten werden." (p.50)

Welche gesellschaftliche Rolle käme in einer derartigen "Ökonomie unproduktiver Verausgabung" der Kunst zu? Welche Gegenpositionen zu einer neokapitalistischen Ökonomie (inklusive dazugehörigem Kunstmarkt) lassen sich aus Batailles Theorie der Verausgabung ableiten? Welche Inspirationen kann politische Kunst aus einer solchen Theorie (heute noch) ziehen?

ZHdK WS 2007_Über das Urteilen

Die Urteilskraft wird in der Philosophie als das Vermögen bezeichnet, das Besondere als unter einem Allgemeinen enthalten zu denken. Kant beschreibt dies in seiner Theorie des ästhetischen Urteils. In einem posthum veröffentlichten Text nimmt Hannah Arendt seine Gedanken auf und erachtet das - u.a. in der Kunst praktizierte - ästhetische Urteil als Vorbild für ein mündiges politisches Urteilen. Dieses beruhe - wie die Kunst auch - auf einem Denken ohne Vermittlung durch Begriffe und auf einem Denken aus subjektiver Perspektive, das eine Vielzahl anderer solcher Perspektiven anerkennt.

Im Seminar werden Theorien über das ästhetische Urteil dargestellt und (vor den Hintergrund ihres gesamten Werkes) wird H. Arendts Text über das Urteilen tw. gemeinsam gelesen. Daraus werden Überlegungen zur gesellschaftlichen Rolle und politischen Funktion künstlerischer Praxis abgeleitet. Die eigenen künstlerischen Anliegen der SeminarteilnehmerInnen werden vor diesem Hintergrund reflektiert.

ZHdK SS 2007_ Weisen des Blicks

Während das Auge in der Geschichte der westlichen Kultur meist als Wahrnehm­ungsorgan angesehen und - optisch oder medizinisch - untersucht wurde, lässt sich doch eine Tradition nachzeichnen, in der man sich für das Auge als Ausdrucksorgan interessierte. Unterschiedliche Weisen des Blicks, Arten des Schauens, des Augen­ausdruckes, kulturelle Unterschiede in (zulässigen) Blick- und Ausdruckskon­ventionen wurden in verschiedensten Zusammenhängen thematisiert.

Im Seminar geht es neben einigen Skizzen zur (Kultur-) Geschichte einer (direkten oder indirekten) Reflexion des Blicks vor allem um die Thematisierung von Augenausdruck in der Kunst. Malanleitungen der Renaissance, heutige Reflexionen zur Photographie, aber auch unmittelbare künstlerische Arbeiten werden diskutiert.

ZHdK SS 2007_Medienkritik bei Elfriede Jelinek und der Frankf. Schule

Ein erster Strang mit allgemeinen Überlegungen zu unterschiedlichen Formen von Gesellschaftskritik in Kunst und Wissenschaft, und ein zweiter Strang mit Einführungen ins Werk von Elfriede Jelinek und in zentrale Werke der Frankfurter Schule werden in diesem Quartalsseminar im spezifischen Thema der Kritik an Massenmedien (sowie Kunst in Massenmedien) zusammengeführt.

Universität Kassel SS 2006_Kartographie und Macht
(gemeinsam mit I. Baumgärtner)

Orientierung ist eine zentrale Voraussetzung mobiler Gesellschaften und globaler Politik. Von den antiken und mittelalterlichen Anfängen bis heute organisieren Karten den Raum nach jeweils unterschied-lichen Kriterien, in denen die Zeit- und Kulturgebundenheit der Wahrnehmung eng mit den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Diskursen des Entstehungskontexts verknüpft ist. Einer Definition der Internationalen Kartographischen Vereinigung (ICA) zufolge sind Karten die „versinnbildlichte Repräsentation geographischer Realität, die auf der Kreativität und den Entscheidungen eines Kartographen beruht, um räumliche Beziehungen abzubilden“. Als Ergebnis selektiver Definition und Benennung sind Karten von weitreichender Bedeutung, sind Ausdruck, Grundlage und Voraussetzung für die Ausübung von Macht.

Um die Vielseitigkeit von Karten in diesem Zusammenhang zu beleuchten und die historische Dimension (Historizität) einzu-beziehen, ist im Seminar auf verschiedene grundlegende Themen-komplexe zu blicken, insbesondere auf die Funktion von Karten (Wissensspeicher, Orientierung, Repräsentation von Zeit und Raum), das Verhältnis zwischen Kartenproduzenten und Kartenbenützern (zum Begriff der Repräsentation, Autorität, Positionierung), die hinter den geographischen Vorstellungen stehenden Weltsichten (Werte und Normen), kartographische Vernunft (Grenzziehungen, Benennungen, Logik), Raumkonzepte der Kartographie und die Karte als Grenze, die Technik der Projektionen und Standardisierungen, die Macht von Farbsymbolik und Benennungen, die Veränderungen kartographischer Perspektiven unter dem Einfluss der Politik, die Bedeutung von Grenzen und Ländern, die Intentionen der Kartenhersteller im Zeigen und Verschweigen, Karten und heutige Orientierung in einer lokalen/ globalen Welt sowie Kartographie und Kunst.

Universität Kassel SS 2006_Die Produktion von Raum

Als Fortsetzung der Thematisierung von „Raum“ in der Geographie und von Überlegungen zu verschiedenen „Raumkonzepten wird in dieser Lehrveranstaltung der Gedanke verfolgt, wonach „Raum“ etwas durch Handlungen und  durch Technologien Produziertes sei, und nichts, dessen Stabilität unabhängig von Praktiken, die ihn „tragen“ von vornherein feststeht. Was ist damit gemeint, wenn in neuerer geographischer Literatur z.B. behauptet wird, „today´s geography takes the world to be a kaleidoscopic mix of space-times, constantly being built up and torn down.  These space-times normally co-exist, folding into one another, existing in the interstices between each other, creating all manner of bizarre and unexpected combinations. Some space-times are more durable, (...) other space-times flicker into and out of existence. Still others are simply wormholes within or between larger space-times that are able to form escape routes or new points of exception/ inception.“?

Universität Kassel WS 2005/06_Kunst und Stadtentwicklung
(gemeinsam mit Armin Chodzinski)
Wo Stadtentwicklung nicht einfach geschieht, sondern nach best. Prinzipien veranlasst werden soll, sind es nicht nur Planungsbehörden, Wirtschaftstreibende, oder BewohnerInnen, die initiativ werden. Manchmal kommt der Anstoss auch von Kulturschaffenden oder KünstlerInnen, die aus - eigener Kritik schöpfend -bestehende städtischer (Miss-)Verhältnisse aufzeigen und eine gemeinsame Veränderung dieser Verhältnisse anstreben. Innerhalb der Stadtentwicklung fungieren künstlerischer Projekte aber nicht nur als Kritik oder selbstorganisierte Aneignungsstrategie, sondern auch als beauftragte Ästhetisierungen und Umwidmungen oder im Sinne klassischer "Stadtmöblierung". Die Bedeutung der Kunst  für die Stadtentwicklung hat dabei so zugenommen, dass sie heute bereits im Vorfeld von stadtplanerischen Projekten zur Kulturalisierung von Orten strategisch genutzt wird.

Die Lehrveranstaltung versucht über eine Vielzahl von Beispielen (aus Sao Paulo, Hamburg, Beirut, Wien, Kassel, u.a.) das Spannungsfeld zu beleuchten. Danach gilt es herauszuarbeiten, wodurch sich künstlerische Entwicklungsimpulse von jenen städtischer Planungsbehörden oder ökonomischer Agenten unterscheiden, wie sie einander ergänzen oder in Konkurrenz zu einander stehen.
Universität Kassel SS 2005_Raumkonzepte in der Geographie

Auch in der internationalen Geographiediskussion der letzten Jahre ist man von einer unreflektierten und quasi automatischen Assoziation von „Raum“ mit Erdoberfläche abgerückt. Dabei wurde das Verhältnis von Gegenstand und Raum jedoch noch unzureichend diskutiert, sehr rasch ging es nur noch um die Frage, ob der Erdraum oder der sozialen Raum Gegenstand humangeographischer Forschung seien. In dieser Lehrveranstaltung ist es daher erforderlich, zunächst ausser-geographischen Überlegungen zum Verhältnis von Raum und Gegenstand nachzudenken. Danach wird es um das Verhältnis von Raum und Denken gehen. In einem dritten Teil der Veranstaltung werden unterschiedliche Raumkonzepte vorgestellt, im vierten Teil unterschiedliche Konzepte von Erdraum.

Universität Kassel WS 2004/05_Terror und Territorium
Zur politischen Geographie von Konflikten und Konfliktbewältigung

Der heute „ein Gebiet“ bezeichnende Begriff Territorium hat seinen etymologischen Ursprung in terror, nicht in terra. Welchen Einfluss haben Schrecken und militärische Gewalt auf die Struktur bestimmter Gebiete? Zu welchen Umwertungen, Umgestaltungen und Zerstörungen kommt es in Zeiten von drohender oder eskalierender Gewalt? Welche Veränderungen lassen sich dabei in der sichtbaren Welt, welche in Kultur und Gesellschaft wahrnehmen?

Danach gilt die Frage, mit welchen Mitteln Gesellschaften und Individuen Perioden kollektiver Gewalt zu "verarbeiten" versuchen? Auf welche Weisen will man die Neugestaltung von Regionen und den Wiederaufbau dafür einzusetzen, um gesellschaftliches Zusammenleben wieder neu zu begründen?

Die Vorlesung zeigt dies an Beispielen aus S-Afrika, Deutschland, Israel, und aus dem Libanon. Dabei werden nicht nur die kulturgeographische Unterschiede zwischen diesen Regionen, sondern insbesondere unterschiedliche Interessenslagen innerhalb der Regionen in ihrer Relevanz diskutiert.
Universität Kassel SS 2004_Kartographische Vernunft:
             Leitlinien und Grenzen

"Niemand darf eintreten, der nicht geometrisch denkt!" hiess es an der Pforte der Athenischen Akademie. Ebensogut hätte es auch heissen können, dass niemand eintreten darf, der nicht geographisch denkt: Die tradierten Regeln für vernünftiges Denken entsprechen den Regeln geographischer Kartierung. Unterscheiden, Ziehen von Grenzen, ist elementarer Teil des Denkens wie auch der Geo-graphie. Einiges wird dadurch möglich.

Was andererseits (sic!) solchem grenzziehenden Zugriff auf die Welt entgeht, ist seit jeher Thema philosophischer Reflexion. Ihre Konsequenzen sind auf die Geo-graphie zu übertragen: welche Phänomene der (heutigen) Welt lassen sich in ihrer territorialen Logik begreifen und welche nicht? Und wie sähe eine Geographie der Paradoxie aus, die jenen evtl. angemessen wäre?

Universität Kassel WS 2003/04_Aktuelle Tendenzen d. Stadtentwicklung
(gemeinsam mit Armin Chodzinski)
Stadtentwicklung ist das Schlagwort der letzten Jahre. Sei es auf dem Deutschen Städtetag, in den Quartieren der Großstädte oder auf der Documenta, Stadtentwicklung steht ganz oben auf den Agenden. Die sozialen Strukturen innerhalb der Städte verändern sich, die finanzielle Situation der Kommunen wird immer prekärer und doch wird der Wunsch einer sozialen Stadt durch alle Gremien hindurch geäußert. Die Vorstellungen von Stadt klaffen dabei allerdings weit auseinander. Was Stadt sein soll, wem sie gehört, was ihre Aufgabe ist und vor allem wie man Stadt verändert oder entwickelt sind  zentrale Diskussionspunkte. Die Frage der Identität ist z.B. der Prüfstein bei einer zentralen Aufgabe der Stadtentwicklung: der Stadtsanierung. Organisierter Städteabriss - Städtesterben im Namen des Volkes - Macht der Planer - Ohnmacht der Bürger - legalisierte Vernichtung von Wohngebieten - Bewusste soziale Umstrukturierung - Neoliberale Stadt - diese Begriffe machen deutlich wie unterschiedlich die Handlungsrealitäten in der aktuellen Stadtplanung verstanden werden.

Das Seminar beleuchtet schlaglichtartig aktuelle Projekte, Entwicklungen und Tendenzen der Stadtentwicklung in Deutschland. Fokussiert werden Projekte in Hamburg vorgestellt und im Rahmen einer Exkursion in Augenschein genommen. Ziel ist es einen Überblick über Projekte zu schaffen, die sich sowohl aus staatlichen Initiativen, als auch aus lokalen, kritischen oder widerständigen Zusammenhängen speisen.
nach oben